Anne Staszkiewicz (D)
Das Delir eines Expressionisten
Anne Staszkiewicz ist Malerin. Auf dem französischen Land hatte sie das Projekt, in der Natur zu malen, ganz wie die Maler der Schule von Barbizon im 19. Jahrhundert. Ein diametraler Gegensatz zu ihrem sehr urbanen Atelier in Berlin Wedding...
Der schönen Natur des Diois ausgesetzt, ist Anne gleich gefangen von der Kraft der Berge mit ihrer Felsen, dem Spiel ihrer Farben und Schatten, welche sich bei jedem Blick ändern. Doch die Natur imponiert vielleicht zu viel, verlangt zu viel. Möchte sein hübsches Bild als Postkarte. Hinzu kommt, dass man, um in der Natur zu malen, immer so viele Dinge mit sich rumschleppen muss... Also kehrt Anne nach zehn Tagen ins Haus zurück – allerdings in ein Atelier mit noch offenen Fensteröffnungen, die wie auch das große offene Portal die Natur einladen, inklusive der exotischen Insekten wie den Buchsbaumzünsler...
Und so findet sich Anne mehr oder weniger in gewohnter Arbeitsweise wieder – mit all ihren präparatorischen Skizzen und handlichen Ölbildern und vielen Fotos als Stütze und Erinnerung. Jetzt ist es weniger die Natur an sich, mit der sie ringt (auf dem Foto bewegt sich nichts mehr), als vielmehr mit ihren eigenen Vorschlägen auf Papier und Leinen. Denn die Malerei ist stets eine Herausforderung, ein Balanceakt von Farben, Energien, Launen und Humor. Die Berge, die Bäume, die Äste und ihre Schatten wandeln sich nun vom Motiv zu einem bloßen Vorwand, um zu malen, um Kunst zu machen.
Ohne die Einschüchterung durch die Natur findet die Malerei von Anne Staszkiewicz ihre Freiheit wieder und ganz neue Dinge ereignen sich. Nach ihren Studien von Bergen und Felsreliefs beginnt die Künstlerin erstmals abstrakt zu malen, und in der Serie „Landkarten eines Expressionisten“ ergießt sich ein Strom von Ornamenten. Zum ersten Mal drängt sich das Ornamentale nach vorne, das bisher von Annes Malerei ausgeschlossen war, vor allem, „da es zu feminin ist“. Um in der Kunstwelt zu reüssieren, sollte man schließlich besser ein Mann sein... Daher schickt Anne auch einen Expressionisten, ein männliches Alter Ego, um im Diois für sie zu malen.
Der Begriff „Delir“ im Ausstellungstitel meint übrigens keine Bewusstseinstrübung, keinen Trancezustand, sondern positiv-umgangssprachlich „Wahnsinn“. Anne arbeitet viel mit Humor und stellt ihrer Malerei häufig gefundene Texte gegenüber. Man könnte meinen, sie mache sich über sie lustig. In jedem Fall ringt sie ständig darum, wer die finale Kontrolle über die Arbeiten innehat. Sie sagt: „Bei mir kann jedes Bild selbst entscheiden, wie es gemalt werden will. Die Bilder sind gleichberechtigt.“ Anne Staszkiewiczist eine demokratische Malerin. cb
//Mehr Infos zur Künstlerin: www.anne-staszkiewicz.de